Gedanke: Die Liebe im Leben

Nach den Indianern Nord-Amerikas gibt es vier Arten der Liebe:

  • die Liebe zu allen Menschen
  • die Liebe zu einem Menschen
  • die Liebe zu einem Menschen, die so stark ist, dass man diesen Menschen besitzen möchte
  • Die Liebe zu einem Menschen, die so stark ist, dass man nur noch möchte, das es diesen Menschen gut geht

(Zitat aus dem Film „Gott, Du kannst ein Arsch sein“, D, 2020)

Dieses Zitat hat mich zum Nachdenken angeregt, wo sich diese Arten bzw. Ebenen der Liebe in natürlicher Form, ohne kulturelle Überformung, beim Menschen vorkommen. Oder auch: Wo die Natur einen Prototyp der jeweiligen Erscheinungsform von Liebe angelegt hat. 

Die Liebe zu allen Menschen kann bereits ein Kind leben und erleben. Im Erkennen in den Augen des Gegenüber, daß der andere auch Hunger hat und dem Teilen des eigenen Stück Brotes zeigt sich das  Wiedererkennen des Ich im Du. „Du bist wie ich, du empfindest wie ich, dein Schmerz ist wie meiner. Ich möchte Deinen Schmerz lindern, so wie meinen.“

Die Liebe zu einem Menschen ist wie die Freundschaft zwischen Jugendlichen. Man verbringt gerne Zeit miteinander, man unternimmt gemeinsam etwas, man erlebt und verlebt gemeinsame Erfahrungen von Freude und Schmerz. Wie Geschwister sind Kumpels und beste Freund/innen Teil einer ganz eigenen „Familie“, welche unterstützt und gegen äußere Einflüsse geschützt wird. Es gibt eine klare Unterscheidung zwischen „wir“ und „ihr“. 

Die Liebe zu einem Menschen, die so stark ist, dass man diesen Menschen besitzen möchte, ist wie die Liebe zwischen Mann und Frau, mit dem Ziel, Kinder zu gebären und ihnen einen guten Start ins Leben zu ermöglichen. Die Indianer hatten auch das Sprichwort: „Um ein Kind aufzuziehen braucht man einen ganzen Stamm.“ Ein Paar ist die kleinstmögliche Einheit einer solchen Gruppe, aber je mehr Personen zu dieser „Familie“ gehören, umso mehr kann die Verantwortung auf viele Schultern verteilt werden, was es für alle Beteiligten leichter macht. Aber die Kernfamilie muß die nötige Sicherheit bieten, um gegebenenfalls die gesamte Verantwortung auch alleine tragen zu müssen. Die Partner brauchen das Gefühl, vertrauen zu können. Doch damit schwingt auch immer die Angst mit, enttäuscht zu werden. Und um diese Angst in sich zu besänftigen will man den anderen „besitzen“. 

Die Liebe zu einem Menschen, die so stark ist, dass man nur noch möchte, das es diesen Menschen gut geht, ist wie die Liebe einer Mutter zu ihrem Kind. Es ist die opferbereite Liebe, die Liebe, die sich selber aufgibt, damit das geliebte Wesen leben kann. Es ist die bedingungslose Liebe, nach der wir uns alle sehen, und die doch so schwer zu ertragen ist. Bedingungslose Liebe hat keinen äußeren Ausdruck mehr, den sie will auch nicht einwirken oder manipulieren. So wie die Eltern wollen, dass ihr Kind seinen eigenen Weg in das Leben findet, so gibt sich die bedingungslose Liebe selbst auf, damit das geliebte Wesen wirklich frei sein kann. Sie nährt und unterstützt, aber sie verlangt nichts dafür. 

Die Indianer nannten die Natur die große Mutter, die alles Leben und auch uns Menschen hervorgebracht hat. Die Natur gibt alles, was sie ist und hat, damit wir leben können, unsere Erfahrungen sammeln und uns entwickeln können. Sie lässt sich sogar von uns zerstören, ohne dass wir oft auch nur begreifen, dass wir alles geschenkt bekommen, was uns unser Leben ermöglicht. So gibt sich die Natur selbst, so wie eine Mutter für ihr Kind, weil sie weiß, daß das Leben, und damit auch ihr Leben, in den Kindern weitergetragen wird. 

Hier schließt sich der Kreis der Entwicklung. Aus der bedingungslosen Liebe wird wieder die Liebe in „kindlicher“ Form, die Liebe zu allen Menschen. Die Natur liebt alle Wesen, die aus ihr hervorgegangen sind, in gleicher Weise. (Hier werden manche vielleicht einhaken: Die „Grausamkeit“ der Natur ist die Bedingungslosigkeit ihrer Liebe. Bedingungslos bedeutet, nicht aus eigenen Wunsch einzugreifen. Den Sinn dahinter zu verstehen ist ein anderes Thema.) 

Dadurch, dass alle Ebenen der Liebe wie auf einem Kreis der Entwicklung liegen, hat jede Stufe den gleichen Wert wie alle anderen. Es gibt kein besser oder schlechter, kein mehr oder weniger. Nach meiner Beobachtung kommen in einer wirklich liebenden Verbindung zwischen zwei Menschen alle Ebenen gleichzeitig vor: Die „kindliche“ Liebe, um sich selbst zu finden und kennenzulernen, die „jugendliche“ Liebe, um gemeinsam zu leben und zu erleben, die „erwachsene“ Liebe, um sich gegenseitig zu schützen und zu stützen, und die „bedingungslose“ Liebe, um zu erfahren, dass das Leben nach dem eigenen Tod weitergetragen wird und man selbst dadurch ein Teil des ewigen Lebens ist. 

(Sexualität kann ebenso alle Ebenen der Liebe enthalten, wie auch jede einzelne Ebenen der Liebe Sexualität enthalten kann, wenn auch nicht muß. Gleiches gilt auch für alle Spielarten der Liebe wie auch der sexuellen Orientierung.)

2 Kommentare zu „Gedanke: Die Liebe im Leben“

  1. Liebe versetzt Berge.
    Ich überlege gerade: Wäre es möglich, den ganzen Hass in unserer Welt durch Liebe in all ihrer Vielfältigkeit zu ersetzen, wäre sie zu einem viel besseren Ort für die Menschen und andere Lebewesen geworden. Ein Paradies auf Erden, sozusagen …

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    1. Für mich ein schwieriger Gedanke. Er erinnert mich an den Buchtitel „Himmel auf Erden und Hölle im Kopf“ von Dr. C. J. Ahlers. Wie der Titel andeutet haben wir eigentlich bereits ein Paradies, den Himmel auf Erden, aber unser Kopf macht für uns eine Hölle daraus – denke ich. Am Ende sind es unsere vielfältigen Handlungsmöglichkeiten, welche uns eine Hölle bereiten, und das aus dem Wunsch heraus, uns eben genau vor dieser Hölle (unseren Ängste) zu schützen. Das Problem sehe ich darin, dass unsere Ängste (unsere Hölle) nur in unseren Köpfen stattfinden, wir aber versuchen, sie im Außen zu bekämpfen. Und je höher die soziale Entwicklung, umso grausamer die Kämpfe (das ist schon im Tierreich so).
      Aber bedingungslose Liebe akzeptiert alles – sonst wäre sie nicht bedingungslos – auch Krieg und die eigene Zerstörung. Wir leben also in unendlicher Liebe. Nur glauben wir ihr nicht und vertrauen ihr auch nicht. Es bedarf eines großen Schrittes des Vertrauens um irgendwann wirklich mit dem Gedicht von Erich Fried mitgehen zu können: „Es ist, was es ist“ (sagt die Liebe)…
      🙏🍀🌈

      Gefällt 1 Person

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